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Concert Review: Heidelberg/Rhein-Neckar-Zeitung (Germany)

Heidelberg/Rhein-Neckar-Zeitung (Germany), 25 March 2014
Dem -Heidelberger Frühling- gelang ein besonderer CoupHélène Grimaud und das City of Birmingham Orchestra unter Andris Nelsons begeisterten an zwei Abenden in der Stadthalle. 25.03.2014, 06:00 Von Matthias Roth "Ausnahmemusiker" sind heute der PR-Alltag und "Konzerthighlights" der Saison, des Jahres, des Jahrzehnts werden fast an jeder Straßenecke feilgeboten. Auch "Klassikstars" und "Geigen-", "Klavier-", oder "Stimmwunder" gibt es allenthalben, und kaum ein Unter-30-Jähriger, der nicht zu den "Interessantesten" oder "Gefragtesten" seiner Generation zählt. Man hat sich daran gewöhnt. Aber realisieren wir in dieser Flut aus Werbesprüchen überhaupt noch, wenn sich tatsächlich mal ein "Highlight" ereignet, wirkliche "Ausnahmekünstler" auf der Bühne stehen? O ja, das tun wir! Der Doppelabend des City of Birmingham Symphony Orchestra in der Heidelberger Stadthalle bewies es: Zwei Mal restlos ausverkauft, zwei Mal schier grenzenloser Jubel, zwei Mal dieselben Künstler mit verschiedenen Programmen. Grandios! Dem "Heidelberger Frühling" ist da ein besonderer Coup gelungen. Denn in all den anderen Städten, in denen die Pianistin Hélène Grimaud mit diesem Orchester unter Andris Nelsons gastiert – Freiburg, Hannover, Frankfurt – spielen sie jeweils nur ein Programm mit jeweils einem der beiden Brahms-Konzerte. In Heidelberg aber konnte man beide Brahms-Konzerte hören plus "Romeo & Julia" bzw. "Petruschka". Das war etwas absolut Sensationelles. In Toronto, wo Grimaud im April gastiert, spielt sie ebenfalls mehrfach, aber immer nur das gleiche Solokonzert! Über die Pianistin ist viel geschrieben und noch mehr geredet worden: Wir haben keine kritische Meinung dazu, denn wir lieben rundweg alles, was sie macht. Auch am zweiten Abend bewunderten wir, wie sie aus dem Brahms-Koloss op. 83 ein transparentes, bisweilen fast kammermusikalisches Stück machte, in dem die Virtuosität nicht Selbstzweck war. Dem Orchestersatz mischte sie helle und dunkle Schattierungen bei, die quasi räumliche Tiefe schufen, als sei sie eine Malerin in Tönen. Dynamisch zwang sie ihre Mitmusiker dabei oft in die Knie: Leiser geht wirklich nicht! Aber das Orchester parierte und folgte ihr in sämtliche dunklen Verliese des Leisen (Andante-Satz) – einfach genial. Genauso atemberaubend aber wie die Solistin spielte das Orchester. Andris Nelsons ist als Dirigent ein sehr körperlicher Typ, der mit jeder Faser seiner großen Statur die Musiker leitet. Strawinskys "Petruschka" zeigte sowohl die Kraft wie auch die Zartheit, die Nelsons herauskitzeln kann – einzigartig. Im Herbst geht er als Chef nach Boston und wird dann erst einmal seltener in Deutschland zu erleben sein. Es wurde aber auch die unglaubliche Qualität der Orchestersolisten aus Birmingham hier wie schon am Vorabend deutlich: von der Piccoloflöte bis zur Tuba, von Flöte, Horn, Klarinette, Englisch Horn, Trompete, Cello bis zum Schlagzeug. Großartige Musiker! Es war ein konzertantes Großereignis – vielleicht als Doppelpack das hiesige Konzertereignis des Jahres, auch wenn nicht nur beim "Frühling" noch einiges aussteht. Dass die bereitliegende Zugabe dann nicht gespielt wurde, hing vermutlich damit zusammen, dass sich einige Musikliebhaber direkt nach dem Schlussakkord bereits auf den Weg zum Parkhaus machten. Ein Affront. Schade.

via Rnz

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