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Concert Review: Frankfurter Rundschau (Germany)

Frankfurter Rundschau (Germany), 31 March 2014
Mutter und Grimaud in Frankfurt: Kräftigste FarbenAnne-Sophie Mutter und Hélène Grimaud spielen in der Alten Oper Frankfurt. Mit dabei ist der lettische Dirigent Andris Nelsons. Mit Klavier und Violine verzaubern sie den Konzertsaal. Man hätte meinen können, 2014 sei ein Brahms-Jahr, so sehr standen an den beiden Pro-Arte-Abenden des City of Birmingham Symphony Orchestra Werke des 1833 in Hamburg geborenen und 1897 in Wien gestorbenen Meisters romantischer Klassizität im Zentrum. Zwei der exponiertesten Solistinnen der Gegenwart nahmen sich des d-Moll-Klavier- und D-Dur-Violinkonzerts an. Zwei dicke Brocken, die der konservative und skrupulöse Komponist ob deren undankbarer Faktur nicht unbedingt zur Freude der Ausführenden geschaffen hat. Solo und Tutti – das ist hier in beiden Fällen eher ein sinfonisches Zueinander – und Gegeneinandergehen von gleichwertigen, dicht verschlungenen Prozessen. Für große Namen eine Herausforderung, die von den beiden Stars zugunsten dominanter Tongebung bewältigt wurde. Sonnengelbes Satin Anne-Sophie Mutter, so etwas wie die Begründerin eines geigerischen Phänotyps, der nicht nur sein Instrument beherrscht, sondern mit seinem gesamten Auftritt ein Format geschaffen hat, das sich bis zur textilen Oberfläche ausprägt. Stark figurbetontes, dékolletiertes Kleid im typischen Mutter-Sonnengelb-Satin, wenig Bewegung und kerzengerade absolviertes, herrisch wirkendes Spiel mit stoisch genommenen Wartepositionen. Dabei einen Ton anschlagend und konsequent durchhaltend, den man als groß, ja mächtig bezeichnen kann. Die Woche zuvor hatte (zusammen mit dem hr-Sinfonieorchester unter Paavo Järvi) Hilary Hahn an gleicher Stelle gestanden. Das Werk eine feinsinnige und sublime Metamorphose des gleitenden Übergangs. Jetzt gab es Ausdrücklichkeit, die man fast physisch wie ein Herausdrücken, als Dauer-Exhibition erleben konnte. Mächtig legte sich der Bogen in die Saiten, gewaltig und mit dem festen Willen geführt, Vehemenz bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu erzeugen. Hélène Grimaud dagegen trat auf ganz in Weiß, mit weit geschnittener Hose und hoch geschlossenem Schulter-Cape in dünnstem Stoff sowie geschnürten, sportlich wirkenden weißen Schuhen. Zusammengesunken mit ständig kreisenden Körperbewegungen – so verbrachte die als „Universalgenie" Vorgestellte ihre kürzeren und längeren Pausen vor der Tastatur. Die französische Künstlerin, die „sich auch als Naturschützerin, Menschenrechtsaktivistin und Schriftstellerin einen Namen gemacht" hat, repräsentiert den hochsensiblen, tief loten wollenden Part im Spektrum des zeitgenössischen Virtuosentums. Erstaunlich scharf timbiert, fast klirrend ihr Instrument, mit dem sie dann doch, wie Anne-Sophie Mutter auf ihre Weise auch, für die solistische Prädominanz ihres Parts gut sorgte. Dirigent Andris Nelsons Es dirigierte Andris Nelsons, der jetzt vom CBSO zum Boston Symphony Orchestra wechselt. Umsichtig schuf er bei den Tutti-Partien den Raum, sich und die Seinen deutlich ins Spiel zu bringen. Nelsons, ein sprungbereiter, attentistischer Dirigent, der mehr auf die momentane Exposition als auf lange Gestaltungsketten und Bezüglichkeits-Resonanzen setzt. Das erbrachte bei dem die konzertanten Kreuzer begleitenden Konvoi sinfonischer Werke hervorragende Eindrücke. Schluss-Stück war jeweils russische Moderne: eine Suite aus Sergej Prokofjews „Romeo und Julia"-Ballett und Igor Strawinskys „Petruschka"-Suite von 1947, was hervorragende Orchester-Qualitäten offenbarte: kräftigste Farben, heftige und harte Konturen bei aufgerauten Oberflächen. Manchmal klang's wie folkloristisch verkleideter Futurismus. Bei Strawinsky blieb dabei der klang-räumliche Witz dieser statischen Musik eines tableaux vivant auf der Strecke. Des 2014er-Jubilars Richard Strauss wurde mit „Don Juan" gedacht: Heldenleben-Ego samt Tod und Verklärung. Großartig kam neben den amorosen Bellizismen die abgeschattete Seite des Draufgängers zum Ausdruck.

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